Ausweitung der Übergangsfristen für Medizinprodukte entlässt niemanden aus der Verantwortung
Das Europäische Parlament hat heute ein Dringlichkeitsverfahren für neue
Übergangszeiträume für Medizinprodukte und In-Vitro-Diagnostika beschlossen. Die finale Abstimmung findet am Donnerstag statt, wobei eine Annahme des Gesetzes erwartet wird.
René Repasi, baden-württembergischer SPD-Abgeordneter im Europäischen Parlament:
„Die Ausweitung der Übergangsfristen für Medizinprodukte und In-Vitro-Diagnostika
entschärfen die drohende Lage. Die Versorgungssicherheit von Patienten mit komplexen Medizinprodukten wie künstlichen Herzen, Hüft- oder Kniegelenken, bleibt somit vorerst gewährleistet. Die nach geltendem Recht bereits zugelassenen Medizinprodukte können jetzt bis mindestens Ende 2027 weiterverwendet werden. Das ist gut für Patienten, Arbeitnehmer:innen und baden-württembergische Unternehmen. Mit der gewonnenen Zeit muss aber von allen Seiten verantwortungsbewusst umgegangen werden!
Der neue Status Quo sollte unbedingt weiter verbessert werden. Trotz der absehbaren
Verdoppelung der benannten Stellen müssen alle Möglichkeiten zur Überprüfung und
Zulassung von Medizinprodukten genutzt werden. Nur so kann es gelingen, die fast 20.000 bestehenden Zulassungen ins neue System zu übertragen. Insbesondere braucht es eine Initiative, damit Kleinnischenprodukte, wie selten verwendete Medizinprodukte für Kleinkinder, auch künftig entwickelt und zugelassen werden. Der Ansatz, alle risikoreichen Produkte gleich zu behandeln, ist zwar löblich und aus der Erfahrung der Medizinproduktskandale heraus sinnvoll, er schüttet aber das Kind sprichwörtlich mit dem Badewasser aus. Es braucht Wege, wie die Kosten für die Prüfung der Übereinstimmung mitden gesetzlichen Vorgaben finanzierbar und damit diese besonderen Kleinnischenprodukte weiter für Unternehmen lohnenswert sind. Sonst finden wir uns in ein paar Jahren in derselben Situation der Versorgungsunsicherheit wieder. Hier sind Europäische Kommission,
die Mitgliedsstaaten und Unternehmen gemeinsam gefordert.
Die grundlegende europäische Reform der Zulassung medizintechnischer Erzeugnisse aus Sicht der Verbraucher:innen ist richtig. Ein hoher Schutz für Patient:innen und ist weiterhin wünschenswert. Dennoch müssen die Prüfverfahren für Medizinprodukte auch leistbar sein. Den Menschen in Baden-Württemberg ist nicht geholfen, wenn sich die
Versorgungssituation trotz höherer Standards verschlechtert. Letztlich muss unser Ziel sein, die Situation der Menschen und Unternehmen zu verbessern.
Nicolas Fink, europapolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der SPD Baden-Württemberg:
„Gerade bei uns in Baden-Württemberg spielt die mittelständisch geprägte Medizinwirtschaft eine bedeutende Rolle. Unabhängig von konjunkturellen Schwankungen hat sie für den Standort Baden-Württemberg gerade in
Krisenzeiten eine zunehmende Bedeutung. Die 2.175 in diesem Bereich tätigen Unternehmen erwirtschafteten laut Statistischem Landesamt schon im Jahr 2019 rund 7,6 Mrd. Euro. Fehlende behördliche Infrastruktur sowie gestiegene Kosten und internationaler Wettbewerb tragen zusätzlich zu erschwerten Bedingungen bei. Dabei ist eine gut aufgestellte Medizintechnikbranche ebenso für eine umfassende Versorgung mit sicheren Produkten unbedingt notwendig. Ganz im Sinne der baden-württembergischen Patient:innen, der Beschäftigten und der Unternehmen. Eine entsprechende letztmalige Verlängerung der Übergangsfrist ist sinnvoll, um auf die kurzfristigen Herausforderungen bei der Versorgung mit Medizinprodukten zu reagieren.
Nun steht die Landesregierung in der Pflicht: In Bezug auf die Kostenproblematik für Zulassungsverfahren kann sie dabei nicht nur auf Berlin und Brüssel verweisen. Sie muss hingegen selbst ihr Möglichstes dafür tun, die neuen Bedingungen zu ermöglichen. Bei den Regierungspräsidien angesiedelte Schnellverfahren nach dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen könnten eine weitere Option sein, um beispielsweise den behördlichen Bearbeitungsstau zu überwinden und bereits zugelassene medizintechnische Produkte weiter im Markt zu haben.“
Hintergrund: Am Donnerstag stimmt das Europäische Parlament den finalen Gesetzestext ab. Dabei wird der Übergangszeitraum für Medizinprodukte mit hohem Risiko der Übergangszeitraum vom 26.05.2024 auf den 31.12.2027 und für solche Produkte mit niedrigem und mittlerem Risiko auf den 31.12.2028 verschoben wird. Auch Vorgaben zum Abverkauf für bereits produzierte Medizinprodukte werden entfallen.