Die Zahl der Menschen in Zwangsarbeit nimmt weltweit zu. Laut einem Bericht der International Labour Organization waren 2021 weltweit 28 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen – 3 Millionen mehr als 2016. Das EU-Parlament positioniert sich heute in Straßburg zu einem Verbot von Produkten, die mit Zwangsarbeit hergestellt werden. Grundlage dafür ist die Entscheidung der zuständigen Ausschüsse für Handel sowie für Binnenmarkt, die deshalb am heutigen Montagabend um 19.30 Uhr zusammenkommen. Die Verordnung ist Folge einer lang erwarteten Schlüsselforderung der S&D-Fraktion in dieser Legislaturperiode.
René Repasi, verbraucher- und binnenmarktpolitischer Sprecher der Europa-SPD:
„Diese Abstimmung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem wirksamen Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit. Es ist nicht hinnehmbar, dass im 21. Jahrhundert die Anzahl an Menschen in Zwangsarbeit weiter massiv steigt statt nach unten zu gehen. Indem wir Produkte aus Zwangsarbeit im EU-Binnenmarkt zum Verkauf zulassen, wird Zwangsarbeit durch europäische Verbraucherinnen und Verbraucher auch noch ungewollt unterstützt. Damit muss endlich Schluss sein.
Einen Aufschub des Verbots von Produkten aus Zwangsarbeit, wie von rechter Seite gefordert, darf und wird es deshalb mit uns nicht geben. Ob in der Baumwollproduktion in China, beim Kaffeeanbau in Brasilien oder in der deutschen Fleischindustrie: Indem wir den Verkauf von Produkten aus Zwangsarbeit verbieten, sorgen wir dafür, dass Unternehmen zukünftig keine Wettbewerbsvorteile aus menschenunwürdiger Arbeit ziehen.
Mehr als bedauerlich ist deshalb, dass sich die rechte Seite damit durchsetzen konnte, dass nicht alle Produkte aus Zwangsarbeit dem Verbot unterfallen sollen, sondern nur solche Endprodukte, die zu einem erheblichen Anteil mit Zwangsarbeit hergestellt wurden. Die zentrale Herausforderung ist in der Praxis die Frage nach dem Beweis, ob ein Produkt auch tatsächlich aus Zwangsarbeit hergestellt worden ist. Deshalb ist besonders hervorzuheben, dass es der sozialdemokratischen Verhandlungsführung gelungen ist, für staatlich verordnete Zwangsarbeit eine Beweislastumkehr in der Parlamentsposition durchzusetzen. Demnach müssen Unternehmen nachweisen dass ihr Produkt nicht aus Zwangsarbeit hergestellt wurde. Das bedeutet eine deutliche Verbesserung für Betroffene.“
Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament:
„Das war längst überfällig. Bereits 1930 hatte die internationale Staatengemeinschaft das Ende der Zwangsarbeit vereinbart. Wir setzen das nun endlich auch für die Europäische Union um. Die internationale Arbeitsorganisation hatte schon in der Gründungszeit Zwangsarbeit gebrandmarkt und noch mal 1957 eine zusätzliche Norm zur Abschaffung eingeführt. Sozialdemokrat*innen haben dieses Gesetz deshalb seit langem gefordert. Nun wird es endlich Realität. Wir zeigen jetzt Zähne und schieben Gewinnen auf Kosten fundamentaler Arbeitsrechte einen Riegel vor. Wir werden mit dem Ministerrat intensiv verhandeln, dass es noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann.
Stolz bin ich auf die Verbesserungen am ursprünglichen Kommissionsvorschlag, die wir als Parlament vorgenommen haben. Diese Fortschritte sind angesichts des starken Widerstands der konservativen Kräfte im Europäischen Parlament noch bemerkenswerter. Das Instrument gegen Zwangsarbeit wird Produkte abdecken, die in der EU für den Inlandsverbrauch, für Export und außerhalb für den Import hergestellt werden.
Eine unserer wichtigsten Errungenschaften ist, dass die EU-Kommission die gleichen Befugnisse wie die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten haben wird, was zu einer besseren und einheitlicheren Umsetzung des Instruments führen sollte. Das Instrument ist länderneutral und unterscheidet sich daher sehr von dem Mechanismus, den die Vereinigten Staaten nutzen. Dieses Instrument hat das Potenzial, einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Zwangsarbeit weltweit zu leisten. Die Verordnung ergänzt viele andere Gesetze, die den Handel nachhaltiger gestalten und die Lage der Menschen verbessern werden.“
Bekommt die Verordnung heute im Parlament eine Mehrheit, muss noch der Rat über die Verordnung entscheiden, damit noch in dieser Legislaturperiode Trilog-Verhandlungen stattfinden können.