Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament haben sich heute Vormittag auf eine Reform der Satzung für den Europäischen Gerichtshof geeinigt.
Ziel der Reform ist, den Gerichtshof zu entlasten und Verfahren zu beschleunigen. Mit sogenannten Vorabentscheidungsersuchen können nationale Gerichtedem EuGH Fragen zur Auslegung und Gültigkeit von Europarecht vorlegen. Diese Ersuche sollen künftig nicht mehr vom Gerichtshof, sondern vom Gericht (EuG) beantwortet werden, das bisher für Individualklagen zuständig war. Dabei geht es um Entscheidungen in den Bereichen Mehrwertsteuer, Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fahr- und Fluggäste, Zoll, Verbrauchssteuern und Treibhausgas-Zertifikate.
Das Europäische Gericht verfügt seit der letzten Reform aus dem Jahr 2015 über 54 Richter*innen, während am EuGH nur 27 Richter*innen arbeiten.
René Repasi, Schattenberichterstatter für die Reform der Satzung des Europäischen Gerichtshofs:
„Für die Europäische Integration ist das Vorabentscheidungsverfahren von besonderer Bedeutung. Einige der wichtigsten Grundsatzurteile des EuGH zur Vertiefung des Binnenmarktes und den Rechten von Unionsbürgerinnen und -bürgern wurden in diesem Rahmen gefällt.
Nationale Gerichte warten derzeit durchschnittlich 17 Monate auf eine Antwort des EuGH auf eine Vorlagefrage. Mit einer Verlagerung der Beantwortung von Vorlagefragen etwa im Bereich des Zoll- oder Mehrwertsteuerrechts, in denen der EuGH bereits eine umfangreiche ständige Rechtsprechung entwickelt hat, auf das Gericht, wird der Gerichtshof zukünftig entlastet, um sich kritischen und komplexen verfassungsrechtlichen Fragen etwa bei Menschenrechten oder der Rechtsstaatlichkeit zu widmen. Das Recht von Bürgerinnen und Bürgern auf eine angemessene Verfahrensdauer und wirksamen Rechtsschutz wird so gestärkt.
Neben einer Änderung der Arbeitsverteilung haben wir die Rolle des Parlaments sowie die Transparenz der Verfahren am EuGH gestärkt. Das Europäische Parlament kann zukünftig bei Vorabentscheidungsverfahren ohne verfahrensrechtliche Grenzen im Interesse der Unionsbürger*innen auftreten und so an der Fortentwicklung europäischen Rechts mitwirken. In Zeiten, in den aufgrund immer komplexerer und technischerer Gesetzgebung häufig wichtige und damit zum Teil auch hochpolitische Entscheidungen in offene Rechtsbegriffe oder gar auf die Kommission verschoben werden, ein wichtiges Mittel der demokratischen Mitwirkung.
Es ist uns zudem gelungen, dass der Gerichtshof nach Abschluss eines Vorabentscheidungsverfahrens nunmehr sämtliche Schriftsätze und schriftlichen Erklärungen automatisch veröffentlicht. Das ist nicht nur ein Riesengewinn an Transparenz für die Bürger*innen sondern auch ein enormer Erkenntnisgewinn für die Rechtswissenschaft.“
Das Ergebnis muss noch formal von Parlament und Rat bestätigt werden und soll bereits nächstes Jahr in Kraft treten.