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„Herr Scholtz, wann Bubatz legal?“ Ich denke, es ist klar, dass mit Bubatz Cannabis gemeint ist. Im Oktober hat die Ampelkoalition ein sogenanntes Eckpunktepapier zur Cannabis Legalisierung in Deutschland vorgelegt. Es sieht unter anderem vor, dass Cannabis und der Wirkstoff THC rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Der Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm zum eigenen Konsum und der Eigenanbau in begrenztem Umfang werden erlaubt.

Der Anbau von Cannabis für den kommerziellen Vertrieb soll staatlich lizensiert und kontrolliert sein. Zudem soll der Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften mit einer Alterskontrolle ermöglicht werden. Politisch finde ich die Legalisierung von Cannabis richtig. Die Gefahren für die Gesundheit sind zumindest mit denen von Alkohol und Nikotin vergleichbar. Die Kriminalisierung von Cannabis hat aber bislang zur Folge, dass illegal erhältliches Cannabis verunreinigt sein kann und Jugendliche und Verbraucherinnen und Verbraucher ungeschützt sind.Qualität, Gesundheits- und Jugendschutz sind durch eine Legalisierung von Cannabis deutlich besser zu erreichen als durch seine Kriminalisierung, wie das derzeit der Fall ist. In Europa ist der Umgang mit Cannabis hochumstritten. Es gibt Länder, die den Konsum von Cannabis bereits lange tolerieren, so wie die Niederlande. Hier ist Cannabis übrigens nicht legalisiert, sondern lediglich der Vertrieb und der Konsum toleriert und strafrechtlich nicht verfolgt.

Es gibt aber eine Vielzahl an Ländern, in denen Cannabis kriminalisiert ist und es überhaupt keine Diskussion über dessen Legalisierung gibt. Mit all diesen Ländern sitzen wir gemeinsam in einem Binnenmarkt ohne Grenzkontrollen. Restriktiv eingestellte Länder befürchten, dass eine Legalisierung in Deutschland ihre Heimatmärkte mit illegalem Cannabis überschwemmt und sie ihre Freiheit verlieren, Cannabis in ihren Ländern weiterhin verboten zu halten.

Deswegen ist die Cannabis Legalisierung vor allem eine Frage für den Binnenmarkt, die EU und somit auch für das Europarecht. Als Europaabgeordneter und als Europarechtler frage ich mich daher auch, ob die geplante Cannabis Legalisierung mit bestehendem Europa- und Völkerrecht vereinbar ist und was man tun muss, um mögliche rechtliche Hürden zu überwinden. Um die möglichen rechtlichen Herausforderungen und europapolitischen Fragen soll es in diesem Erklärvideo gehen.

Legen wir los. Lasst uns zunächst gemeinsam einen Blick auf die einschlägigen EU-Vorgaben werfen. Im EU-Recht gibt es zwei Anknüpfungspunkte im sogenannten Sekundärrecht, das heißt dem Recht, das auf der Grundlage der EU-Verträge erlassen wurde und in der Hierarchie darunter steht. Da wäre zum einen das Schengener Durchführungsabkommen, kurz SDÜ. Vom Schengener Übereinkommen habt ihr sicher schon einmal gehört. Durch dieses Abkommen wurde der Grenzüberschreitende Personen- und Warenverkehr innerhalb des EU-Binnenmarktes erleichtert, indem die Grenzkontrollen zwischen den sogenannten Schengen-Staaten abgeschafft wurden. Wenn man von Baden-Württemberg nach Österreich, Frankreich oder in die Schweiz reist, gibt es deshalb keine Kontrollen mehr. Dem hierdurch gebildeten Schengenraum gehören alle EU Mitgliedsstaaten außer Irland, Bulgarien, Rumänien und Zypern an, sowie Norwegen, Island, Schweiz und Liechtenstein außerhalb der EU.

Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde das Schengener Abkommen Teil des EU-Rechts und kann nunmehr im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durch Europäisches Parlament und Rat geändert werden. Das SDÜ, worüber wir es nun haben, ergänzt dieses Übereinkommen und beinhaltet Regeln zu seiner praktischen Durchführung. Warum beschäftigt sich das SDÜ mit Cannabis? Wenn es keine Grenzkontrollen mehr für Waren gibt, dann können auch Drogen unkontrolliert und damit ungehindert die Binnengrenzen überschreiten. Die Mitgliedsstaaten erkennen daher im Wegfall der Grenzkontrollen eine große Gefahr, wenn es um den Drogenhandel geht. Aus diesem Grund enthält das SDÜ in den Artikeln 70ff entsprechende Vorschriften über Betäubungsmittel im Binnenmarkt. Nach Artikel 71 Abs. 1 dieses Übereinkommens verpflichten sich die Mitgliedsstaaten in Bezug auf unmittelbare oder mittelbare Abgabe von Suchtstoffen und psychotropen Stoffen aller Art, einschließlich Cannabis und den Besitz dieser Stoffe zum Zwecke der Abgabe oder Ausfuhr unter Berücksichtigung der bestehenden Übereinkommen der Vereinten Nationen alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, die zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln erforderlich sind.

Sinngemäß heißt das also: Ausfuhr und Abgabe von Cannabis im Schengenraum sind zu unterbinden. Das SDÜ verpflichtet die Mitgliedsstaaten zudem, dieses Verbot nicht nur verwaltungsrechtlich, sondern auch strafrechtlich zu unterbinden. Damit wird auch sofort die Verbindung zum zweiten Anknüpfungspunkt im EU-Sekundärrecht deutlich, mit dem sich die Bundesregierung zur Erreichung des Ziels einer echten Legalisierung von Cannabis auseinandersetzen muss: dem Strafrecht.

Das EU-Recht legt nämlich Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbare Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels in einem sogenannten Rahmenbeschluss fest. Dem Rahmenbeschluss 2004-757JI, um genau zu sein. In dessen Artikel Abs. 1 steht, dass jeder Mitgliedsstaat die erforderlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass folgende vorsätzliche Handlungen unter Strafe gestellt werden und benennt dann unter Buchstabe a, das Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern, gleichviel zu welchen Bedingungen und Vermitteln von Drogen sowie unter Buchstabe b das Anbauen der Cannabispflanze unter Strafe. Das unter dem Begriff der Drogen auch Cannabis fällt macht Artikel 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses unter Bezugnahme auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über psychotrope Stoffe deutlich. Auf dieses Übereinkommen komme ich sogleich noch zu sprechen. Die genannten Tathandlungen fallen nach Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses jedoch nicht in seinen Anwendungsbereich, wenn die Täter sie ausschließlich für ihren persönlichen Konsum im Sinne des nationalen Rechts begangen haben.

Welche Schlussfolgerung können wir aus diesen beiden EU-Rechtsakten für die Legalisierung von Cannabis ziehen? Der Wortlaut ist ziemlich eindeutig: Unter dem geltenden EU-Recht gibt es ein ausdrückliches Verbot von Cannabis. Dies hat der EuGH im Übrigen in seinem Josemans-Urteil von 2010 bestätigt. Wenn eine Ware nämlich illegal ist, schützt sie auch die Primärrechtliche Warenverkehrsfreiheit nicht.

Die Ausnahme des persönlichen Konsums in Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses deutet ein Schlupfloch an. Davon wird jedoch nur ein Bruchteil der Pläne der Bundesregierung erfasst. Das Neue an der deutschen Position im Vergleich etwa zu den Niederlanden ist nämlich, dass der Verkauf, aber vor allem der Anbau von Cannabis staatlich kontrolliert werden soll. Das ist mit dieser Ausnahme nicht möglich.

Und das Beispiel Niederlande zeigt auch, warum das wichtig ist. Die Niederlande werden häufig als Beispiel genannt, wo Cannabis legalisiert ist. Wieso ist in den Niederlanden etwas gelungen wo Deutschland scheinbar gegen eine europarechtliche Wand läuft? Die berühmt-berüchtigten Coffeeshops in Amsterdam und Co lassen das zwar vermuten und in der Tat wird der Besitz und Verkauf kleinerer Mengen in unserem Nachbarstaat de facto nicht verfolgt, dies hat seinen Grund aber nicht etwa in der Legalisierung von Cannabis. Auch in den Niederlanden bleibt der Anbau, Verkauf und Besitz von Cannabis grundsätzlich verboten. Die niederländischen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden priorisieren aber schlicht anders. Anstelle der Verfolgung des privaten Konsums konzentrieren sie sich auf die Verfolgung des Handels im großen Stil. Dahinter steckt das auch im deutschen Strafprozessrecht verankerte sogenannte Opportunitätsprinzip. Dieses räumt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit ein, von der Verfolgung einzelner Taten wegen ihrer Geringfügigkeit abzusehen. Das macht deutlich, warum dieser prozessuale Ansatz sich nicht für die Umsetzung des von der Bundesregierung geplanten lizensierten Anbaus unter staatlicher Kontrolle eignet. Dieses Element ist aber von entscheidender Bedeutung. Die Kontrolle des Anbaus ermöglicht nämlich erst die effektive Bekämpfung der Drogenkriminalität im großen Stil.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bleiben da noch? Man könnte zunächst an eine Legalisierung von Cannabis denken, die sich alleine auf Deutschland bezieht und die den Umgang mit Cannabis in allen anderen Mitgliedsstaaten unangetastet lässt. Einen Präzedenzfall hierfür finden wir im EU-Primärrecht. Beim Konsum von Snus in Schweden. Zwar besteht in der EU grundsätzlich wie bei Cannabis ein Verbot von Tabak zum oralen Gebrauch, wozu auch Snus zählt, im Beitrittsvertrag zwischen der EU und Schweden wurde jedoch eine Ausnahmeregel für Schweden getroffen. Für die Cannabis-Legalisierung in Deutschland könnte in Anlehnung an die schwedische Lösung eine vergleichbare Ausnahme in Betracht kommen. Cannabis wäre dann ausschließlich bei uns legalisiert. In anderen Mitgliedstaaten bliebe es hingegen eine illegale Ware. Das wäre unzweifelhaft möglich, wenn Deutschland eine Sonderregel in den EU-Verträgen bekommt. Das ist aber illusorisch.

Ginge das Ganze auch mit einer Ausnahmeregel für Deutschland im Sekundärrecht, also eingeführt durch uns im europäischen Parlament und den Rat? Wohl eher nicht. Wäre Cannabis nämlich ein legales Produkt in Deutschland, könnte es auch am Binnenmarkt teilnehmen, wäre also durch die Warenverkehrsfreiheit geschützt. Das vorher genannte Josemans-Urteil verneinte nämlich den Schutz der Warenverkehrsfreiheit für Cannabis nur weil es auch in den Niederlanden ein illegales Produkt ist. Nicht-Deutschen müsste somit der Konsum und Verkauf von Cannabis innerhalb Deutschlands erlaubt werden. Anders als in den Niederlanden, in denen Cannabis weiterhin illegal ist und der Verkauf auf dort gemeldete Personen reduziert werden kann, wäre eine solche Beschränkung in Deutschland im Falle einer Legalisierung von Cannabis eine Diskriminierung von Unionsbürger:innen. Ein Rechtfertigungsgrund dieser Diskriminierung bestünde für Deutschland nach der Legalisierung nicht mehr. Die hierdurch entstehende Gefahr von Drogentourismus würde zu einem massiven Widerstand der an Deutschland grenzenden EU-Staaten führen, deren Unterstützung aber notwendig wäre, um eine sekundärrechtliche Ausnahme für Deutschland zu bekommen. Eine sauberere Lösung als Alleingang von Deutschland wäre eine einheitliche Änderung des EU-Rechts. Die beiden Sekundärrechtsregeln, die wir zu Beginn dieses Videos zusammen angesehen haben, also das SDÜ und der Rahmenbeschluss könnten durch neue EU-Gesetzgebung geändert werden.

Hierfür wären zwei Rechtsakte erforderlich. Erstens müsste Cannabis als Gut legalisiert werden. Hierfür bräuchte es also Binnenmarktsrechtsetzung. Zweitens müsste Cannabis entkriminalisiert werden. Das betrifft die Strafrechtssetzung. Beide Rechtsgrundlagen für die Gesetzesänderung verlangen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, für das eine qualifizierte Mehrheit im Rat ausreicht. Dieser rechtliche Weg ist also relativ klar. Schwieriger gestaltet sich die politische Ebene. Angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen in den Mitgliedsstaaten betreffend Cannabis ist fraglich, ob Deutschland die erforderliche Mehrheit im Rat erhalten würde.

Dass dies nicht ganz leicht werden könnte, war wohl auch Luxemburg bewusst. Dort hat man das Produkt der Legalisierung fallen gelassen. Sind damit alle rechtlichen Hürden überwunden? Nein, denn da wäre auch noch das Völkerrecht, dass einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland gleich an drei Stellen entgegensteht. Sowohl das UN Einheitsabkommen über psychotrope Substanzen, zu denen auch Cannabis zählt, als auch das UN Übereinkommen von 1971 verhindern dies ausdrücklich.

Aus meiner Sicht lässt das Völkerrecht zwar einen viel diskutierten Ansatz zu, der darin bestünde, dass Deutschland aus den beiden genannten Abkommen austritt, um sodann unter einem nachträglichen Cannabis-Vorbehalt wieder einzutreten. Ob die Bundesrepublik als völkerrechtsfreundliches Land einen solchen Weg gehen sollte, sollte man politisch aber hinterfragen. Und selbst wenn man eine Vorbehaltslösung befürworten möchte, bliebe das dritte Abkommen im Bunde, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988. Auch hier müsste ein nachträglicher Vorbehalt erwirkt werden. Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass auch die EU Vertragspartner des Übereinkommens von 1988 ist. Das hat zur Folge, dass Deutschland bei einem nachträglichen Vorbehalt als Mitglied der EU weiterhin indirekt an das Übereinkommen gebunden wäre. Auch hier empfiehlt sich also eine gesamteuropäische Lösung.

Wichtig ist jetzt ein koordiniertes Vorgehen der Bundesregierung bei der Legalisierung. Und ein ernsthafter Austausch mit der Kommission. Wie zu Beginn gesagt, befürworte ich aus mehreren Gründen die Pläne der Bundesregierung politisch. Denkbar wäre, dass die Kommission nach einem Einholen eines Meinungsbildes im Rat mit entsprechenden Gesetzgebungsvorschlägen die Cannabis-Legalisierung in der EU in Gang setzt und bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahren kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet, wenn es trotz der eindeutig geltenden EU-Rechtslage Cannabis in Deutschland legalisiert.

Wie steht ihr der geplanten Cannabis-Legalisierung gegenüber? Schreibt es mir gerne in die Kommentare. Tschüss aus Brüssel und bis zum nächsten Video hier auf meinem Kanal.