Im Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments wurde heute eine Strategie vorgestellt, um Kleinanleger*innen in der Europäischen Union zu fördern. Der Berichtsentwurf der liberalen Berichterstatterin löscht zu Gunsten des Finanzsektors sämtliche verbraucherschützenden Verbesserungen des Kommissionsvorschlags. Trotz einer der höchsten individuellen Sparquoten weltweit, ist die Beteiligung der Kleinanleger*innen in der EU an den Kapitalmärkten im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften vergleichsweise gering, weil es Verbraucher*innen an Vertrauen in die Vermittlung von Finanzprodukten mangelt.
René Repasi, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung:
„Die zunehmende Komplexität von Finanzprodukten trägt zur Verunsicherung europäischer Verbraucher*innen bei. Gravierende Unterschiede in den Mitgliedsstaaten, wie mangelnde Informationspflichten und provisionsgebundene Beratungsangebote erschweren Investitionsentscheidungen über eigentlich vergleichbare Finanzprodukte. Die Investitions-Entscheidungen von Kleinanleger*innen sind von zentraler Bedeutung für die Schaffung einer echten europäischen Kapitalmarktunion.
Hauptziele der Richtlinie soll sowohl sein, den Anlegerschutz zu stärken und somit das Vertrauen in den Finanzsektor zu fördern, als auch die Intensivierung der Beteiligung an den Kapitalmärkten. In Anbetracht der Entwicklung digitaler Kanäle, welche beispielsweise bei der Abwicklung von Investmentfonds verwendet werden, müssen solidere Aufsichts- und Durchsetzungspraktiken gefördert werden, da hier meist keine Beratungsbeziehung zwischen Kund*in und Wertpapierfirma etabliert wird.
In ihrem ersten Entwurf hatte die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness ein umfassendes Provisionsverbot vorgesehen. Während ich die Vorschläge der EU-Kommission zu mehr Transparenz bei den Provisionen von Berater*innen und zum Provisionsverbot bei reinen Geschäften zur Durchführung- und Abwicklung begrüße, stellt der jetzt vorgestellte Bericht von Frau Yon-Courtin einen deutlichen Rückschritt dar. Dem ängstlichen Ruf der Finanzbranche, ein Provisionsverbot als europäische Maßnahme zu vermeiden, hat die Berichterstatterin hier wohl stattgegeben.
Offensichtlich richten Finanzdienstleister ihre Dienstleistungen nicht primär an den Bedürfnissen ihrer Kund*innen aus, sondern empfehlen bevorzugt Produkte, deren Vertrieb durch eine höhere Provision vergütet wird. Das in den Niederlanden und Großbritannien bereits erfolgreich eingeführte Provisionsverbot stoppt solche Fehlanreize.
Das Ziel des Gesetzespaketes ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Kleinanleger*innen Anlage-Entscheidungen treffen zu lassen, die ihren Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen, während sie gleichzeitig fair behandelt und angemessen geschützt werden. Dazu müssen das Provisionsverbot beibehalten und die Maßnahmen zur Optimierung des Preis-Leistungs-Verhältnisses stark bleiben. Die EU muss diese Strategie für Kleinanleger*innen nutzen und mit einem konsequenten Provisionsverbot diesen Faktor zur Benachteiligung der Verbraucherinnen und Verbraucher beseitigen.“
Nach dieser Vorstellung des Entwurfes im Europäischen Parlament durch die Berichterstatterin folgt die Konsultation der jeweiligen Schattenberichterstatter*innen. Parallel arbeiten die Mitgliedstaaten im Rat und die EU-Kommission an ihrer jeweiligen Position dazu, bevor die Institutionen im Trilog darüber verhandeln werden.