In seiner Europa-Rede in Prag hat Bundeskanzler Olaf Scholz Vorschläge zur Reform und zum Umbau der EU gemacht. Es sei jetzt enorm wichtig, die Handlungsfähigkeit der EU sicherzustellen. Autokraten wie Putin würde jede Uneinigkeit, jede Schwäche ausnutzen. Deshalb sei es nun an der Zeit, die Dinge anzugehen.
„Wir müssen die Reihen schließen, alte Konflikte überwinden, neue Lösungen finden. (…) Zeitenwende, das muss für die europäische Politik heißen: Brücken zu bauen, statt Gräben aufzureißen“, meint der Kanzler. „Wann, wenn nicht jetzt, überwinden wir die Differenzen, die uns seit Jahren lähmen und spalten?“, so Olaf Scholz weiter.
Man stünde vor neuen Herausforderungen und müsse die Europäische Union geopolitisch gestalten. Die Voraussetzung dafür sei eine Europäische Union, die eine wertebasierte Außenpolitik betreibe!
Aus Sicht des baden-württembergischen Europapolitikers Prof. Dr. René Repasi sind dabei insbesondere folgende Punkte hervorzuheben:
- Erweiterung und Reformen der Europäischen Union: Repasi unterstütze die Beitrittsgesuche des westlichen Balkans, der Moldau, perspektivisch auch von Georgien und natürlich der Ukraine. Wichtig sei aber, dass mit der Erweiterung ebenfalls eine Reform der internen Entscheidungsstrukturen einhergeht. Die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips sei kein Allheilmittel, es stünde allerdings zur Disposition. Darüber hinaus müsste man über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments diskutieren. Eine Lösung für mehr demokratische Legitimation wären hierbei transnationale Listen. Noch dazu bräuchte man neue politische Foren, die die Mitgliedstaaten noch stärker als bisher vernetzen. Das gelte gerade für außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Hier müsse Europa seiner Rolle gerecht werden.
- Gewährleistung der eigenen Souveränität: Die EU müsse unabhängiger werden. Dazu brauche es verstärkte Bestrebungen zu einer echten europäischen Kreislaufwirtschaft und dem sukzessiven und nachhaltigen Ausbau europäischer Handelsbeziehungen. Ferner müsse man auch technologisch unabhängiger werden und neue Standards bei Schlüsseltechnologien setzen.
- Gemeinsame Lösungen finden: Die EU solle mehr Geschlossenheit zeigen, alte Konflikte überwinden und Politik innovativ gestalten. Die Migrations- und die Finanzpolitik seien dabei zentrale und Politik- und Konfliktbereiche. Von oberster Priorität sei ein faires und krisenfestes europäisches Asylsystem, das auf dem Prinzip der Arbeitsteilung fußt. Auch müsste legale Arbeitsmigration ermöglicht werden. Im Schengen-Raum würde man sich dafür einsetzen, dass Rumänien, Bulgarien und Kroatien als Mitglieder aufgenommen werden. Finanzpolitisch brauche es eine Reform der EU-Fiskalregeln, die zukünftig verstärkte nachhaltige Investitionen erlauben, ohne dabei gleichzeitig das Ziel der Haushaltsstabilität aufzugeben.
- Werte verteidigen: Europa sei Werte- und Rechtsgemeinschaft. Die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit habe daher oberste Priorität. Durch das Einleiten von Vertragsverletzungsverfahren gegen Staaten, die die Grundwerte der Union missachten und das Knüpfen von EU-Zahlungen an das Einhalten von rechtsstaatlichen Standards, könnte man das gewährleisten.
„In seiner Prager Grundsatzrede zeichnet Olaf Scholz das Bild eines wehrhaften und souveränen Europas. Der Bundeskanzler stellt damit genau die richtigen Weichen für die Zukunft der europäischen Union“, fügt Repasi abschließend hinzu.